Hallo Ramzes,
gerne stelle ich meinen Leserbrief hier ins Forum:
Dringend nötig: Leitlinie "Leistung"
Leserbrief zum Artikel "Wegweisend - Die neuen Leitlinien des Hannoveraner Verbandes" in Ausgabe 5/2010, Seite 24
Grundsätzlich begrüße ich die Entwicklung von Leitlinien für die Zuchtarbeit. Je präziser Ziele definiert werden, umso effektiver sind Fortschritte in der gewünschten Richtung möglich. Die Frage ist allerdings: Wohin soll die Reise gehen?
Ich vertrete hier die Position einer leistungsorientierten Springpferdezucht. Für meine eigene Zucht habe ich hierzu eine Zuchtphilosophie und ein Umsetzungskonzept erarbeitet, welches unter www.sportpferde-druenert.de nachzulesen ist.
Die Leitlinie "Schwerpunktveranlagung" findet meine hundertprozentige Zustimmung und trägt den sportlichen Realitäten Rechnung. Insbesondere die Betonung des Wertes von Springeigenschaften für die Dressurpferdezucht verdient Anerkennung und ermöglicht den Weg aus einer Sackgasse.
Was allerdings den Stellenwert des heutigen Hannoveraners im internationalen Sprigsport betrifft, kann eine nüchterne, von Schönfärberei ungetrübte Bestandsaufnahme nur dringenden Handlungsbedarf signalisieren! Als ich 1968 mit der Pferdezucht begann, wurde das Parcoursgeschehen auf den Turnierplätzen noch von Hannoveranern dominiert. Aufgrund einer jahrelangen vorrangig exterieurbestimmten Selektion hat seitdem das Springpotential in der hannoverschen Gesamtpopulation erheblich abgenommen. Im WBFSH_Ranking Springen ist die größte Warmblutzucht der Welt mittlerweile auf den 7. Platz abgerutscht. Selbst diese Position verdanken wir mehrheitlich Nachkommen nichthannoverscher Hengste.
Unter den besten 150 Springpferden der Welt befanden sich 2009 noch ganze 8 Hannoveraner, welche zur Hälfte nichthannoversche Väter hatten, angeführt von den Nachkommen des Ooldenburgers Silvio "Shutterfla" und des Holsteiners Lordanos "Let's Fly", beide abstammend aus einer Mutter vom Vollblüter Forrest xx.
Von den 30 Top-1%-Hengsten der aktuellen FN-Zuchtwertschätzung Springen tragen ganze 8 den hannoverschen Brand gegenüber 17 Holsteinern!
Auch der Bundeschampion "Quaid", den Hannover 2009 nach mehrjähriger Abstinenz erfreulicherweise wieder stellen konnte, stammt von einem Holsteiner Vater aus einem holländischen Mutterstamm. Nicht aus "Popularitätsgründen" sondern aus purer Not sind leistungsbewusste Züchter immer stärker auf die Nutzung von Fremdblut angewiesen!
Ist das die richtige Ausgangsbasis für diese Leitlinie "Identität" ? Ich meine: nein! Wenn wir bei aller Sympathie für das Experiment des G-Projektes statt objektiver und unvoreingenommener Bewertungskriterien den Anfangsbuchstaben oder die Hengstlinienzugehörigkeit in den Vordergrund stellen wollen, werden uns Holländer, Belgier oder Holsteiner sehr bals noch weiter davongaloppieren! Die Reiter, für die wir züchten, interessieren solche Identitätsfragen nicht!
Ebenfalls kritisch sehe ich die Leitlinie "Qualität". Ich befürchte hier eine Schwerpunktverlagerung hin zu noch stärkerem Streben nach makellosem Exterieur unter Zurückstellung von Leistungsfaktoren. Ich stelle keineswegs die Bedeutung eines stabilen Rückens für ein Sportpferd in Frage. Aber warum sollen Pferde mit etwas geschliffenem Vorderbein, mit einer leichten Inkorrektheit des Ganges (z.B. Quando Quando, Don Frederico) oder klein geratenen aber harten Hufen (z.B. Clinton I) nicht eine lange Sportkarriere auf höchstem Niveau ohne Probleme überstehen können? Die Natur kann vieles kompensieren. Dass formale Korrektheit stets eine bessere Haltbarkeit, höhere Leistungsfähigkeit oder ein geringeres Osteochondroserisiko bedeuten, ist ein oft lautstark und weit verbreitetes Glaubensbekenntnis, welches seinen wissenschaftlichen Beweis bis heute schuldig geblieben ist.
"Sie springen in allen Formen" sagte einst mit recht der große Maas J. Hell. Das Exterieur sollte nicht Selbstzweck sein, sondern seine Funktionalität ist ausschlaggebend. Allein der Sport liefert die Nagelprobe! Auch manche für den Züchter folgenschwere Röntgenbild-Beurteilung stellt sich dabei als irrelevant heraus. Die Bedeutung des Interieurs gegenüber dem Exterieur wird leider oft maßlos unterschätzt!
Die Vollblutzucht, nach deren Vertretern als Allheilmittel heute die ganze Warmblutwelt ruft, selektiert nach Siegermentalität, bewiesener Leistungshärte und Gesundheit. Sie kommt völlig ohne Exterieurkörungen aus. Ich will hier nicht einer Abschaffung von Körungen das Wort reden. Verglichen mit Zuchtwertschätzungen und Eigenleistung halte ich diese jedoch für das mit Abstand schwächste Selektionsinstrument mit dem höchsten Risiko, die Dinge in falsche Richtungen zu bahnen. Statt in extreme Fehlerguckerei zu verfallen, sollten wir von den Vollblutzüchtern lernen, unsere Pferde in viel stärkerem Maße der Bewährungsprüfung im Spitzensport zu unterziehen und vermehrt danach zu selektieren. Dies umso mehr, als mit zunehmendem Zuchtfortschritt geeignete Vollbluthengste für den Ausgleich der Degenerationserscheinungen immer weniger zur Verfügung stehen werden.
Diese Leitlinien "Identität" und "Qualität" setzen das falsche Signal zur falschen Zeit. Sie dokumentieren, dass in unserem Zuchtbuchausschuss derzeit der Leistungsgedanke leider völlig unterrepräsentiert ist. Seit über 40 Jahren besuche ich regelmäßig Körungen, Elite-Auktionen und Zuchtveranstaltunge verschiedener Verbände. Der heutige Hannoveraner zählt eindeutig zu den exterieurkorrektesten Rassen der Welt. Ein ernsthafter Handlungsbedarf ist für mich disbezüglich nicht erkennbar. Dieser ist aber umso mehr in der Leistungsfrage offensichtlich: Der Prozentsatz leistungsgeprüfter junger Stuten geht rapide zurück. Die Qualifikation für die Beurteilung von Springpferden ist bei manchen unserer Zuchtrichter unzureichend. Der Run auf Junghengste ohne jede Nachkommeninformation ist ungebremst. Sogar völlig leistungsungeprüfte Hengste erhalten die hannoversche Zulassung. Statt dessen fristen sichere Leistungsvererber (z.B. Albatros, Satisfaction, Le Primeur) ein Schattendasein. Wenn wir im großen Springsport nicht in die Bedeutungslosigkeit abgleiten wollen, besteht Handlungsbedarf: Dringender als alles andere braucht Hannover ein Konzept und eine Leitlinie "Leistung"!
Rudolf Drünert, Ahrensbök
gerne stelle ich meinen Leserbrief hier ins Forum:
Dringend nötig: Leitlinie "Leistung"
Leserbrief zum Artikel "Wegweisend - Die neuen Leitlinien des Hannoveraner Verbandes" in Ausgabe 5/2010, Seite 24
Grundsätzlich begrüße ich die Entwicklung von Leitlinien für die Zuchtarbeit. Je präziser Ziele definiert werden, umso effektiver sind Fortschritte in der gewünschten Richtung möglich. Die Frage ist allerdings: Wohin soll die Reise gehen?
Ich vertrete hier die Position einer leistungsorientierten Springpferdezucht. Für meine eigene Zucht habe ich hierzu eine Zuchtphilosophie und ein Umsetzungskonzept erarbeitet, welches unter www.sportpferde-druenert.de nachzulesen ist.
Die Leitlinie "Schwerpunktveranlagung" findet meine hundertprozentige Zustimmung und trägt den sportlichen Realitäten Rechnung. Insbesondere die Betonung des Wertes von Springeigenschaften für die Dressurpferdezucht verdient Anerkennung und ermöglicht den Weg aus einer Sackgasse.
Was allerdings den Stellenwert des heutigen Hannoveraners im internationalen Sprigsport betrifft, kann eine nüchterne, von Schönfärberei ungetrübte Bestandsaufnahme nur dringenden Handlungsbedarf signalisieren! Als ich 1968 mit der Pferdezucht begann, wurde das Parcoursgeschehen auf den Turnierplätzen noch von Hannoveranern dominiert. Aufgrund einer jahrelangen vorrangig exterieurbestimmten Selektion hat seitdem das Springpotential in der hannoverschen Gesamtpopulation erheblich abgenommen. Im WBFSH_Ranking Springen ist die größte Warmblutzucht der Welt mittlerweile auf den 7. Platz abgerutscht. Selbst diese Position verdanken wir mehrheitlich Nachkommen nichthannoverscher Hengste.
Unter den besten 150 Springpferden der Welt befanden sich 2009 noch ganze 8 Hannoveraner, welche zur Hälfte nichthannoversche Väter hatten, angeführt von den Nachkommen des Ooldenburgers Silvio "Shutterfla" und des Holsteiners Lordanos "Let's Fly", beide abstammend aus einer Mutter vom Vollblüter Forrest xx.
Von den 30 Top-1%-Hengsten der aktuellen FN-Zuchtwertschätzung Springen tragen ganze 8 den hannoverschen Brand gegenüber 17 Holsteinern!
Auch der Bundeschampion "Quaid", den Hannover 2009 nach mehrjähriger Abstinenz erfreulicherweise wieder stellen konnte, stammt von einem Holsteiner Vater aus einem holländischen Mutterstamm. Nicht aus "Popularitätsgründen" sondern aus purer Not sind leistungsbewusste Züchter immer stärker auf die Nutzung von Fremdblut angewiesen!
Ist das die richtige Ausgangsbasis für diese Leitlinie "Identität" ? Ich meine: nein! Wenn wir bei aller Sympathie für das Experiment des G-Projektes statt objektiver und unvoreingenommener Bewertungskriterien den Anfangsbuchstaben oder die Hengstlinienzugehörigkeit in den Vordergrund stellen wollen, werden uns Holländer, Belgier oder Holsteiner sehr bals noch weiter davongaloppieren! Die Reiter, für die wir züchten, interessieren solche Identitätsfragen nicht!
Ebenfalls kritisch sehe ich die Leitlinie "Qualität". Ich befürchte hier eine Schwerpunktverlagerung hin zu noch stärkerem Streben nach makellosem Exterieur unter Zurückstellung von Leistungsfaktoren. Ich stelle keineswegs die Bedeutung eines stabilen Rückens für ein Sportpferd in Frage. Aber warum sollen Pferde mit etwas geschliffenem Vorderbein, mit einer leichten Inkorrektheit des Ganges (z.B. Quando Quando, Don Frederico) oder klein geratenen aber harten Hufen (z.B. Clinton I) nicht eine lange Sportkarriere auf höchstem Niveau ohne Probleme überstehen können? Die Natur kann vieles kompensieren. Dass formale Korrektheit stets eine bessere Haltbarkeit, höhere Leistungsfähigkeit oder ein geringeres Osteochondroserisiko bedeuten, ist ein oft lautstark und weit verbreitetes Glaubensbekenntnis, welches seinen wissenschaftlichen Beweis bis heute schuldig geblieben ist.
"Sie springen in allen Formen" sagte einst mit recht der große Maas J. Hell. Das Exterieur sollte nicht Selbstzweck sein, sondern seine Funktionalität ist ausschlaggebend. Allein der Sport liefert die Nagelprobe! Auch manche für den Züchter folgenschwere Röntgenbild-Beurteilung stellt sich dabei als irrelevant heraus. Die Bedeutung des Interieurs gegenüber dem Exterieur wird leider oft maßlos unterschätzt!
Die Vollblutzucht, nach deren Vertretern als Allheilmittel heute die ganze Warmblutwelt ruft, selektiert nach Siegermentalität, bewiesener Leistungshärte und Gesundheit. Sie kommt völlig ohne Exterieurkörungen aus. Ich will hier nicht einer Abschaffung von Körungen das Wort reden. Verglichen mit Zuchtwertschätzungen und Eigenleistung halte ich diese jedoch für das mit Abstand schwächste Selektionsinstrument mit dem höchsten Risiko, die Dinge in falsche Richtungen zu bahnen. Statt in extreme Fehlerguckerei zu verfallen, sollten wir von den Vollblutzüchtern lernen, unsere Pferde in viel stärkerem Maße der Bewährungsprüfung im Spitzensport zu unterziehen und vermehrt danach zu selektieren. Dies umso mehr, als mit zunehmendem Zuchtfortschritt geeignete Vollbluthengste für den Ausgleich der Degenerationserscheinungen immer weniger zur Verfügung stehen werden.
Diese Leitlinien "Identität" und "Qualität" setzen das falsche Signal zur falschen Zeit. Sie dokumentieren, dass in unserem Zuchtbuchausschuss derzeit der Leistungsgedanke leider völlig unterrepräsentiert ist. Seit über 40 Jahren besuche ich regelmäßig Körungen, Elite-Auktionen und Zuchtveranstaltunge verschiedener Verbände. Der heutige Hannoveraner zählt eindeutig zu den exterieurkorrektesten Rassen der Welt. Ein ernsthafter Handlungsbedarf ist für mich disbezüglich nicht erkennbar. Dieser ist aber umso mehr in der Leistungsfrage offensichtlich: Der Prozentsatz leistungsgeprüfter junger Stuten geht rapide zurück. Die Qualifikation für die Beurteilung von Springpferden ist bei manchen unserer Zuchtrichter unzureichend. Der Run auf Junghengste ohne jede Nachkommeninformation ist ungebremst. Sogar völlig leistungsungeprüfte Hengste erhalten die hannoversche Zulassung. Statt dessen fristen sichere Leistungsvererber (z.B. Albatros, Satisfaction, Le Primeur) ein Schattendasein. Wenn wir im großen Springsport nicht in die Bedeutungslosigkeit abgleiten wollen, besteht Handlungsbedarf: Dringender als alles andere braucht Hannover ein Konzept und eine Leitlinie "Leistung"!
Rudolf Drünert, Ahrensbök
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