FN Projekt Gesundheitsdatenbank : Im Sande verlaufen ?

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  • cps5
    • 07.07.2009
    • 1586

    Nehmen wir mal an, ein Träger-Hengst ist vor 100 Jahren in die Zucht eingestellt worden. Er macht gute Nachkommen und wird entsprechend genutzt (der Defekt, hier WFFS ist zum damaligen Zeitpunkt unbekannt), dann kann die Rechnung wie folgt aussehen:

    Nehmen wir weiter an, besagter Hengst deckt 10 Jahre und erhält im Schnitt 40 Stuten, aus deren Nachkommen 50 langfristig in die Zucht gehen (8 Hengste und 42 Stuten). Dies ist die erste Generation.

    Für die zweite Generation nehmen wir an, dass die 8 Hengste im gemeinsamen Durchschnitt 7 Jahre genutzt werden und 30 Stuten pro Jahr bekommen. 8 x 7 x 30 = 1.680 Anpaarungen, aus denen 80 Tiere eingestellt werden (5 Hengste und 75) Stuten. Gleichzeitig haben 42 Stuten im Schnitt 7 Fohlen gebracht. Also 294 Fohlen, von denen 50 in die Zucht eingestellt werden (5 Hengste und 45) Stuten, die den Hengst zum MV haben.

    Wir gehen jetzt in dritte Generation. Die 10 Hengste können in durchschnittlich 10 Zuchtjahren im Schnitt 20 Stuten pro Jahr gedeckt haben (weil sich die Konzentration der Züchter am Ende im Wesentichen auf 2 Hengste richten wird). 10 x 10 x 20 = 2.000 Apaarungen, von denen vielleicht 6 Hengste und 120 Stuten. Die 45 Stuten haben während ihrer Nutzung als Zuchtstute durchschnittlich 7 Fohlen gebracht, also 315 Fohlen. Hiervon mögen 5 bis 10 Hengste (je nach Popularität der Väter) eingestellt werden, die den Ausgangshengst als MMV führen. Außerdem werden 70 Stuten eingestellt.
    Soweit zu den ersten drei Generationen. Hier ist noch nichts passiert, da unser Ausgangshengst auf eine unbelastete Stutenbasis trifft, die zum Teil durch ihn zum Träger wird, aber kein Ausbruch des Defekts wegen des rezessiven Erbgangs möglich ist. Auch in den nachfolgenden beiden Generationen (also die 4. und 5.) werden die Möglichkeiten gering sein, dass zwei Träger aufeinander treffen. Und selbst wenn, liegt die Gefahr eines Ausbruchs bei nur 25 %, so dass der Defekt sich weiter unentdeckt durch die Generationen mogeln konnte.

    Ich habe jetzt also für die dritte Generation, ausgehend von einem belasteten Hengst, 70 Zuchttiere angenommen, von denen bei einer streng mathematischen Sichtweise 35 Träger sein müssten.

    Bis zur 6. Generation wird sich, falls man den Einfluss des in Rede stehenden Hengstes immer noch für positiv hält, diese Zahl noch mehr oder weniger stark erhöhen. Wie bereits vielfach erwähnt: Jede Anpaarung Träger x Nichtträger ergibt zu je 50 % die Chance auf das Verschwinden des Defekts oder das Risiko auf eine weitere Verbreitung des Defekts auf Stämme und Linien, die bisher unbelastet waren.

    Spätestens in der 7. Generation wird man sich bei einem stark genutzten Hengst mit entsprechender Zahl an Nachkommen Gedanken um Linienzucht machen, denn die guten Eigenschaften, die die Popularität des Hengstes ausmachen, sollen natürlich gefestigt werden. Und von dem Gen-Defekt weiß man zu diesem Zeitpunkt nichts.

    Wenn ich beim vorliegenden Beispiel von vor 100 Jahren ausgegangen bin, sind wir, wenn wir bei der 7. Generation angekommen sind, ca. in den 70er/80er Jahren angelangt. Bis dahin (also 70 Jahre lang) ist noch nichts passiert und auch danach zunächst so selten, dass WFFS nicht erkannt werden konnte. Erst danach kommt es verstärkt zu Ausbrüchen des Defekts und einer flächendeckenden Überprüfung durch Tests, wodurch sich sofort eine Quote von 6 % bis 10 % ergibt. Das erscheint zunächst nicht viel, relativiert sich aber, wenn man anhand des obigen Beispiels die Entwicklung der Prozentzahlen betrachtet:

    Nehmen wir an, die Gesamtpopulation, in die der Hengst seine Wirkung entfaltet, liegt bei 10.000. Zunächst ist er allein. Das macht 0,01 %. In der ersten Generation haben wir bei der statisch-mathematischen Sichtweise von 50 % 25 belastete Zuchttiere. Das macht 0,25 %. Die zweite Generation hat dann 130 x 50 % = 65 Träger: also 0,65 %. In der dritten Generation sind es 206 x 50 % = 103 Träger, somit 1,03 %. Meine Zahlen sind zwar theoretisch, aber nicht unrealistisch. Richtig ins Rollen kommt die Sache erst, wenn durch Linienzucht auf einen Träger der Defekt verankert wird und von Züchtern, die das entsprechende Zuchtziel haben, genauso verbreitet wird wie die guten Eigenschaften, die ihre Träger zu wünschenswerten Zuchttieren machen.

    Noch heftiger würden die Zahlen ausfallen, wenn sich herausstellen sollte, dass sich ein starker im Sinne von durchsetzungsfähiger Vererber (so genannter Stempelhengst) nicht nur im Hinblick auf Exterieur- und Interieur-Eigenschaften vererbt, sondern womöglich auch hinsichtlich eines genetischen Defekts. Ich weiß nicht, ob hierüber wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Falls nicht, wäre das vielleicht ein interessantes und hilfreiches Projekt.

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    • cps5
      • 07.07.2009
      • 1586

      Um dem ganzen Theoretisieren im vorangegangenen Post eine praktische Basis zu geben, möchte ich noch Namen aus der Vergangenheit nennen. Vorab: Ich weiß, dass Wissenschaftler behaupten, man könne aus der Abstammung nicht den Ursprung eines Defekts erkennen. Kann man auch nicht, aber wenn man die Träger kennt, man kann schon zuverlässig erkennen, wer für die Verbreitung verantwortlich war. Ob der Defekt sich bis zu einem heute in Frage kommenden Zuchttier gehalten hat oder nicht, insbesondere durch Anpaarung an einen Non-Carrier die Trägerfreiheit erreicht wurde, kann selbstverständlich nur der Test zeigen.

      1866 wurde der Hengst Nord (v. Norfolk a. d. Ebba von Zernebog - Jellachich) geboren. Für seine Vorgänger-Generationen habe ich nicht weiter verfolgen können, ob er die Träger-Eigenschaft von Vater und Mutter mitbekommen hat. Ich nehme an, dass sie ihren Ursprung in der Vollblutzucht hat. Trotzdem denke ich, dass die Vollblutzucht heute WFFS-frei ist, da erstens entsprechende Datenbanken vorlagen, die zweitens zutreffend ausgewertet wurden und drittens entsprechend gegengesteuert wurde. Im Zweifelsfall würde ich dennoch testen lassen.

      Zurück zu Nord, der sowohl auf die hannoversche als auch die oldenburgische Zucht Einfluss genommen hat:

      In Hannover hat er dies nachhaltig vor allem über seinen Enkel Alnok (v. Adeptus xx a. d. Nora von Nord) getan, der 1895 eingestellt wurde. Über dessen besten Sohn Alderman I dürfte der Defekt dann an Dolman v. Detektiv (a. d. Aussicht v. Alderman I) und von Dolman an Duellant weitergegeben worden sein. Hier ist dann schon das Problem, dass nicht nur Duellant als besonders guter Vererber anzusehen war, sondern dass zudem in der Folgezeit die D-Linie über Duellant (und auch der Springzweig über Dömitz I, der in Deutschland aber wohl mittlerweile erloschen ist) ständig erneut an die Alnok-Alderman I-Linie angepaart wurde. Die beiden Linien wurden bis ca. in die 70er Jahre so stark miteinander verknüpft, dass es - insbesondere mit dem damaligen Nichtwissen um den Defekt - sehr schwer war, ihn zu vermeiden. Immer wenn durch Anpaarung an einen Nichtträger der Defekt verschwand, kam er in der Folgezeit durch Anpaarung an einen anderen Träger wieder durch. Zwar verlor im Lauf der Zeit die Alnok-Linie zumindest im Dressurbereich an Bedeutung, weil sie nicht die komfortabelsten Reitpferde lieferte, aber die D-Linie war zu diesem Zeitpunkt leider schon mit Trägern durchsetzt.

      In Oldenburg war der Einfluss von Nord deutlich größer, hier über Emigrant (geb. 1875 über Young Nord ein Enkel väterlicherseits des Nord) und dessen Nachkommen.

      Vermutlich wird sich jetzt der Eine oder Andere berechtigterweise fragen, was es denn zu bedeuten haben soll, wenn ein Hengst oder eine Stute irgendwo jenseits der 10. Generation im Pedigree auftaucht. Die Antwort liegt in der Häufigkeit des Auftretens. Nehmen wir das Beispiel Everdale. Er hat den Defekt definitiv über seine Mutter Aliska K und diese über ihre Mutter Lisenka vererbt bekommen. Deren Urgroßmutter mütterlicherseits führt Nord (fast immer über Emigrant) über 150mal in ihrer Abstammung. Das ist dann schon ein Wort. Dass am Ende weder zunächst der Muttervater Negro und dann Everdales Vater Lord Leatherdale als Nichtträger die Weitergabe des Defekts verhindern konnten, mag Pech sein, macht WFFS aber nicht ungefährlicher - ganz im Gegenteil.

      Damit will ich sagen, dass es nicht genügt, eine "Träger-an-Nichtträger-und-alles-ist-gut-Einstellung" zu haben. Es ist doch kein Unterschied, ob der Defekt sich deswegen in der Population vermehren konnte, weil man ihn nicht erkennen, jedenfalls nicht definieren konnte oder ob man ihn sich wissentlich weiter verbreiten lässt.

      Wenn jetzt mitterweile von 8 % der Population ausgegangen wird, kann sich das eher noch nach oben korrigieren, wenn wirklich alle Pferde getestet werden. Denn die Hengste, die vergleichsweise viele Nachkommen in der Zucht haben, sind logischerweise auch deutlich stärker bei den Reitpferden vertreten. Das WFFS-Problem hat etwas von einem Schneeballsystem. Eine halbherzige Einstellung, die lediglich darauf achtet, Träger an Nichtträger anzupaaren, wird die Quote weder reduzieren noch stagnieren lassen, sondern in die Höhe treiben. Das wird in der nahen Zukunft vermutlich noch kein Problem sein, aber künftige Züchtergenerationen werden dann irgendwann vor der Frage stehen, wo sie noch einen Nichtträger hernehmen sollen, der die für den Zuchteinsatz notwendige Qualität hat. Es gilt, jetzt aufzupassen, nachdem WFFS und die Art der Verbreitung bekannt sind, und zwar mit Weitblick und nicht nur bis zum nächsten Fohlen.

      Kommentar

      • anthea7819
        • 17.04.2012
        • 1301

        Danke für deine Ausführungen.
        Nur eines sollte nicht vergessen werden, jedes (!) Säugetier trägt unzählige rezessive Erbefehler -manche sprechen da auch von einem Grundrauschen an Defekten. Schätzungen gehen von einigen hundert bis zu tausend aus. D.h. nur WFFS wegzuselektieren, heißt nicht, dass es es in 5 oder 10 Jahren den nächsten breitflächigen Erbfehler gibt.
        Mittel- und langfristig wird WFFS verschwinden. Wenn Züchter und Hengsthalter Bescheid wissen, passiert das meiner Meinung nach automatisch.
        Das "Grundrauschen" bleibt....

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        • Ramzes
          • 15.03.2006
          • 14562

          , Danke für die Ausführungen aus erster Hand von Pavarotti .
          CoFan , ...Nicht umsonst wurde von mir ein ?! gesetzt , was heißen soll , so ähnlich könnte man es machen . Betonung könnte .
          Das verbindliche Änderungen in die Zuchtbuchordnung eingebunden werden entsprechend dem Procedere ,... doch eigentlich klar .
          Das mittelfristig DNA Abstammung und Gentestergebnisse sicher miteinander gekoppelt , in Datenbank gesichert und transparent
          ​​​​​​für das Zuchtgeschehen zwecks Anpaarungsentscheidungen ist doch wohl auch nachvollziehbar .

          Das man sowohl national als auch international sich auf Standards validierter Gentests einigt ist logisch .
          So , und die Hausaufgaben bei der Umsetzung und Einbindung ist Aufgabe der Zuchtverbände und FN in den Gremien .
          Ich wollte damit aufzeigen , daß es mit einem Testergebnis allein nicht getan ist , das gewisse Formalitäten mit einbezogen werden .


          ​​​​​​Danke , Anthea , für den Hinweis auf das natürliche vorhandene “ Grundrauschen “ .
          Im Laufe der nächsten Jahre werden noch diverse Erbfehler entdeckt und Tests entwickelt , mit deren Hilfe
          diese Teilmenge des Grundrauschens minimiert werden kann .
          Und wenn jeder dann auch noch an den anderen Stellschrauben arbeitet , die zu Fohlenverlusten führt , wird man trotzdem nie eine 100 %
          Idealwelt haben !

          Das das Geld für diese Entwicklung neuer Tests aus den erzielten Patentlizenzen schon marktfähiger Tests kommen kann ,
          wurde schon erwähnt .


          ​​​​​​
          Zuletzt geändert von Ramzes; 10.06.2018, 08:14.

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          • Ramzes
            • 15.03.2006
            • 14562

            Cp5 ,...interessant , das Du mehr Erkenntnisse haben solltest , als Frau Winand , die Erfinderin des Tests , die nur ausgebildeten , entsprechend mit DNA Analysen betrauten Populationsgenetikern eine detaillierte Analyse zuspricht .

            Leider hast Du die von mir erwähnte Herbstuntersuchung der Vollblutzucht in DEUTSCHLAND ! irgendwie in den falschen Hals bekommen .
            Diese Herbstuntersuchung DVR war von mir als Beispiel genannt worden für die bislang einzige über Jahrzehnte gepflegte Gesundheitsdatenbank in der GER Pferdezucht . Ja , dort sind auch Mißbildungen aufgeführt , derer es diverse gibt bei Equiden !
            Daraus einen Ursprung WFFS in der Vollblutzucht zu entnehmen , halte ich für grob fahrlässig . Da sind wir dann wieder bei Verschwörungstheorien .
            Es ist eine Spontanmutation , die auch aus eingekreuztem Kaltblut , aus eingekreuztem ““ Schwarzdecken “ “ , aus eingetragenen Zuchttieren unbekannter Herkunft ,...etc. stammen KÖNNTE .
            MAN WEIß ES BISLANG NICHT . UND DIESE ARBEIT , DEN URSPRUNG EINZUGRENZEN , IST EINE HOCHANSPRUCHSVOLLE ARBEIT EINES POPULATIONSGENETIKERS !

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            Zuletzt geändert von Ramzes; 10.06.2018, 09:16.

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            • cps5
              • 07.07.2009
              • 1586

              Ranzes, es ist mir völlig gleichgültig, woher der Ursprung kommt. Ich habe spekuliert und diese Sepekulationen als solche bezeichnet und explizit erwähnt, dass es nicht möglich ist, den Ursprung durch bloßes Studieren des Papiers herauszufinden, genauso wenig wie man hierdurch die Trägerschaft eines derzeitigen Zuchttieres feststellen kann. Meine vorbezeichneten Gedanken dienten nur dazu zu zeigen, dass es nicht ausreicht, einen Träger an einen Nichtträger anzupaaren und sich dann entspannt zurückzulehnen in dem Wissen, dass man ein gesundes Pferd gezogen haben wird. Der Ursprung liegt in jedem Fall soweit zurück, dass er sich nicht mehr eingrenzen lässt. Es spielt für die praktische Zucht keine Rolle, ob ein Everdale, ein Soliman de Hus oder irgendein anderer Träger aufgrund einer Mutation, die im 18. Jarhundert innerhalb der damaligen Vollblutzucht oder durch einen unbekannten Faktor im Pedigree entstanden ist. Beides wäre bei dem vorliegenden Thema WFFS im übrigen kein Problem, wenn diese Mutation in ihrem rezessiven Erbgang nicht durch einzelne, stark genutzte Tiere verbreitet worden wäre - natürlich versehentlich.

              Bis die Wissenschaft nicht nur den Ursprung herausgefunden hat, sondern tatsächlich wirksame Maßnahmen zur Eindämmung finden kann, ist es Aufgabe des Züchters, sich soweit über die tatsächlichen Gegebenheiten zu informieren und danach zu handeln, um bis zu einem wissenschaftlichen Ergebnis und einer im Idealfall empfohlenen Strategie die Gesamtpopulation nicht zu stark mit Trägern zu belasten. Um dies den Züchtern zu ermöglichen, helfen im Moment nur Tests, die zum Glück nicht nur verfügbar, sondern bezahlbar und darüber hinaus zuverlässig sind.

              Jeder, der auch nur die Hälfte meiner Beiträge gelesen hat, weiß, dass ich Vollblut schätze. Wo sich in meiner Aussage, dass ich davon überzeugt bin, dass die derzeitige Vollblutzucht WFFS-frei ist (falls sie jemals in grauer Vorzeit damit belastet war) eine Art Verschwörungstheorie herleiten soll, ist mir absolut schleierhaft.

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              • tina_178
                • 18.03.2007
                • 3701

                Das “Woher“ ist interessant zu lesen, das WIE gehe ich damit um, der wichtigere Punkt. Wenn der Defekt so weit in den Populationen verbreitet ist, wie cps5 oben schreibt, und derzeit nicht an einer Linie festzumachen ist, sollte es keine genetischen Einschränkungen geben, wenn betroffene Tiere nach und nach aussortiert werden. Aus dem „Grundrauschen“ heraus, wird mit der weiteren Erforschung des Genoms sicher noch das Eine oder Andere zu Tage gefördert.
                Lerne Schweigen, ohne zu platzen !

                Kommentar

                • Ramzes
                  • 15.03.2006
                  • 14562

                  Zitat von cps5 Beitrag anzeigen
                  Um dem ganzen Theoretisieren im vorangegangenen Post eine praktische Basis zu geben, möchte ich noch Namen aus der Vergangenheit nennen. Vorab: Ich weiß, dass Wissenschaftler behaupten, man könne aus der Abstammung nicht den Ursprung eines Defekts erkennen. Kann man auch nicht, aber wenn man die Träger kennt, man kann schon zuverlässig erkennen, wer für die Verbreitung verantwortlich war. Ob der Defekt sich bis zu einem heute in Frage kommenden Zuchttier gehalten hat oder nicht, insbesondere durch Anpaarung an einen Non-Carrier die Trägerfreiheit erreicht wurde, kann selbstverständlich nur der Test zeigen.

                  1866 wurde der Hengst Nord (v. Norfolk a. d. Ebba von Zernebog - Jellachich) geboren. Für seine Vorgänger-Generationen habe ich nicht weiter verfolgen können, ob er die Träger-Eigenschaft von Vater und Mutter mitbekommen hat. Ich nehme an, dass sie ihren Ursprung in der Vollblutzucht hat. Trotzdem denke ich, dass die Vollblutzucht heute WFFS-frei ist, da erstens entsprechende Datenbanken vorlagen, die zweitens zutreffend ausgewertet wurden und drittens entsprechend gegengesteuert wurde. Im Zweifelsfall würde ich dennoch testen lassen.

                  Zurück zu Nord, der sowohl auf die hannoversche als auch die oldenburgische Zucht Einfluss genommen hat:

                  In Hannover hat er dies nachhaltig vor allem über seinen Enkel Alnok (v. Adeptus xx a. d. Nora von Nord) getan, der 1895 eingestellt wurde. Über dessen besten Sohn Alderman I dürfte der Defekt dann an Dolman v. Detektiv (a. d. Aussicht v. Alderman I) und von Dolman an Duellant weitergegeben worden sein. Hier ist dann schon das Problem, dass nicht nur Duellant als besonders guter Vererber anzusehen war, sondern dass zudem in der Folgezeit die D-Linie über Duellant (und auch der Springzweig über Dömitz I, der in Deutschland aber wohl mittlerweile erloschen ist) ständig erneut an die Alnok-Alderman I-Linie angepaart wurde. Die beiden Linien wurden bis ca. in die 70er Jahre so stark miteinander verknüpft, dass es - insbesondere mit dem damaligen Nichtwissen um den Defekt - sehr schwer war, ihn zu vermeiden. Immer wenn durch Anpaarung an einen Nichtträger der Defekt verschwand, kam er in der Folgezeit durch Anpaarung an einen anderen Träger wieder durch. Zwar verlor im Lauf der Zeit die Alnok-Linie zumindest im Dressurbereich an Bedeutung, weil sie nicht die komfortabelsten Reitpferde lieferte, aber die D-Linie war zu diesem Zeitpunkt leider schon mit Trägern durchsetzt.

                  In Oldenburg war der Einfluss von Nord deutlich größer, hier über Emigrant (geb. 1875 über Young Nord ein Enkel väterlicherseits des Nord) und dessen Nachkommen.

                  Vermutlich wird sich jetzt der Eine oder Andere berechtigterweise fragen, was es denn zu bedeuten haben soll, wenn ein Hengst oder eine Stute irgendwo jenseits der 10. Generation im Pedigree auftaucht. Die Antwort liegt in der Häufigkeit des Auftretens. Nehmen wir das Beispiel Everdale. Er hat den Defekt definitiv über seine Mutter Aliska K und diese über ihre Mutter Lisenka vererbt bekommen. Deren Urgroßmutter mütterlicherseits führt Nord (fast immer über Emigrant) über 150mal in ihrer Abstammung. Das ist dann schon ein Wort. Dass am Ende weder zunächst der Muttervater Negro und dann Everdales Vater Lord Leatherdale als Nichtträger die Weitergabe des Defekts verhindern konnten, mag Pech sein, macht WFFS aber nicht ungefährlicher - ganz im Gegenteil.

                  Damit will ich sagen, dass es nicht genügt, eine "Träger-an-Nichtträger-und-alles-ist-gut-Einstellung" zu haben. Es ist doch kein Unterschied, ob der Defekt sich deswegen in der Population vermehren konnte, weil man ihn nicht erkennen, jedenfalls nicht definieren konnte oder ob man ihn sich wissentlich weiter verbreiten lässt.

                  Wenn jetzt mitterweile von 8 % der Population ausgegangen wird, kann sich das eher noch nach oben korrigieren, wenn wirklich alle Pferde getestet werden. Denn die Hengste, die vergleichsweise viele Nachkommen in der Zucht haben, sind logischerweise auch deutlich stärker bei den Reitpferden vertreten. Das WFFS-Problem hat etwas von einem Schneeballsystem. Eine halbherzige Einstellung, die lediglich darauf achtet, Träger an Nichtträger anzupaaren, wird die Quote weder reduzieren noch stagnieren lassen, sondern in die Höhe treiben. Das wird in der nahen Zukunft vermutlich noch kein Problem sein, aber künftige Züchtergenerationen werden dann irgendwann vor der Frage stehen, wo sie noch einen Nichtträger hernehmen sollen, der die für den Zuchteinsatz notwendige Qualität hat. Es gilt, jetzt aufzupassen, nachdem WFFS und die Art der Verbreitung bekannt sind, und zwar mit Weitblick und nicht nur bis zum nächsten Fohlen.
                  Soso

                  Kommentar

                  • tina_178
                    • 18.03.2007
                    • 3701

                    Zitat von cps5 Beitrag anzeigen
                    Eine halbherzige Einstellung, die lediglich darauf achtet, Träger an Nichtträger anzupaaren, wird die Quote weder reduzieren noch stagnieren lassen, sondern in die Höhe treiben. Das wird in der nahen Zukunft vermutlich noch kein Problem sein, aber künftige Züchtergenerationen werden dann irgendwann vor der Frage stehen, wo sie noch einen Nichtträger hernehmen sollen, der die für den Zuchteinsatz notwendige Qualität hat. Es gilt, jetzt aufzupassen, nachdem WFFS und die Art der Verbreitung bekannt sind, und zwar mit Weitblick und nicht nur bis zum nächsten Fohlen.
                    Die Praxis sieht jetzt schon anders aus. Die Hengsthalter sind bereits unter Druck geraten, ihre Hengste testen zu lassen. Bei dem Ziel, ein möglichst perfektes Pferd zu züchten, muss ein Träger schon mehr als überragend sein, um in Zukunft noch genutzt zu werden. Ich vermute ferner, dass zu den Körungen im Herbst nur noch negativ getestete Hengste zu vermarkten sind.
                    Lerne Schweigen, ohne zu platzen !

                    Kommentar

                    • CoFan
                      • 02.03.2008
                      • 15238

                      Meiner Meinung nach hat WFFS eine wichtige Funktion für die Warmblutzucht: zu lernen, mit solchen Defekten sinnvoll umzugehen. Frühzeitig auf neue Erkenntnisse zu reagieren, sie nicht zu verschlafen, sondern sie frühzeitig zu bewerten und dann sinnvoll (= so weit wie möglich unerwünschte Nebenwirkungen auszuschliessen, wie sie z.B. aktuell entstehen würden, wenn man alle WFFS Träger aus der Zucht radikal ausschliessen würde) zu reagieren. Die Verbände haben eine grosse Verantwortung für die Population und alle Beteiligten in der Pferdezucht, die sie auch im Umgang mit solchen Defekten wahrzunehmen haben.

                      Dafür bietet dieser Defekt gute Rahmenbedingungen, die wir auch dringend brauchen, weil das "System Warmblutzucht" vollkommen ungeübt ist, was man an den aktuellen Abläufen ganz deutlich erkennen kann. Es gibt schon ein validiertes Testverfahren, das zu wirtschaftlich attraktiven Konditionen angeboten werden kann. WFFS betroffene Fohlen erkennt man sofort, sie sind nicht lebensfähig. Die juristische Bewertung nach dem Tierschutzgesetz sollte deshalb klar sein, auch wenn es viele HH oder Züchter als "normales" Risiko, als ein weiteres "gottgegebenes" Risiko unter vielen, deklarieren wollen. Die direkten wirtschaftlichen Verluste für die Besitzer von Träger-Tieren halten sich objektiv betrachtet in Grenzen, weil die Träger durch den Defekt keine weiteren Nachteile haben. Sie können sogar mit etwas Umsicht weiter in der Zucht eingesetzt werden.

                      Alleine schon diese Umsicht zu lernen, würde der aktuellen Zuchtlandschaft in D sehr gut tun! Das zeigt sich eindrücklich in einigen anderen Punkten, wie z.B. der fast ungezügelten Nutzung von schaustrampelnden dunklen Junghengsten, die zwar traumhaft dahertraben oder galoppieren aber funktional als Reitpferd eher untauglich sind.

                      Die Widerstände gerade in der deutschen Warmblutzucht sind immens. Die kleinteilige Organisation in D (die sich auch bei anderen Punkten negativ auswirkt) begünstigt das noch. Das muss aber drigend überwunden werden. Auch, weil neue Defekte kommen werden oder sogar in der Population schon "unterwegs" sind. Diese Ineffizienz und Ineffektivität muss für die deutschen Zuchtgebiete so und so dringend überwunden werden! Auch die einseitige Lastenverteilung auf die Seite der Stutenbesitzer, die sich in der aktuellen Situation wieder sehr deutlich zeigt, muss dringend überwunden werden.

                      Kommentar

                      • CoFan
                        • 02.03.2008
                        • 15238

                        Zitat von tina_178 Beitrag anzeigen
                        Die Praxis sieht jetzt schon anders aus. Die Hengsthalter sind bereits unter Druck geraten, ihre Hengste testen zu lassen. Bei dem Ziel, ein möglichst perfektes Pferd zu züchten, muss ein Träger schon mehr als überragend sein, um in Zukunft noch genutzt zu werden. Ich vermute ferner, dass zu den Körungen im Herbst nur noch negativ getestete Hengste zu vermarkten sind.
                        Genau. Und alleine zu lernen, einen Träger nur dann für die Zucht zuzulassen oder zu nutzen, wenn er auch wirklich wertvoll ist, ist an sich schon ein Wert für die deutsche Warmblutzucht (leider). Denn aktuell wird gekört, was sich danach auf der Auktion gut vertucken lässt. Ein gangbarer Weg wäre z.B. Träger nur mit einer Begrenzung zuzulassen und dann anhand der Nachkommen zu beurteilen, ob es sich lohnt, sie weiter in der Zucht einzusetzen.

                        Gutes Beispiel für ein solches Vorgehen ist Sezuan. Der war aufgrund seines Röntgenstatus in einigen skandinavischen Verbänden nicht körfähig. Das wurde jetzt nachgeholt, weil seine Nachkommen wohl überzeugend waren.

                        Ein kompletter Ausschluss der Träger wäre ziemlich ruinös für die Warmblutzucht, weil der Defekt auch in den Leistungslinen verbreitet ist. Das ergab sich schon aus der Stichprobe der Studie von NW. Deshalb muss man einen anderen Weg finden. Und die Züchter werden das auch mit Sicherheit einfordern bzw. in ihren Zuchtentscheidungen berücksichtigen.

                        Kommentar

                        • tina_178
                          • 18.03.2007
                          • 3701

                          Ich bin erst einmal gespannt, wer betroffen ist. Bisher gehören die bekannten Träger des Gens interessanterweise nicht zu meinen bevorzugten Hengsten. Aber ich züchte auch nicht unbedingt Mainstream oder gehe zu Modestationen.
                          Lerne Schweigen, ohne zu platzen !

                          Kommentar

                          • cps5
                            • 07.07.2009
                            • 1586

                            Ja, die Hengsthalter werden unter Druck geraten. Und da die ersten bereits mit der Kontrolle ihres Bestandes angefangen haben, wird automatischer Zugzwang bei den anderen herrschen. Mir geht es wie Tina: Ich bin ebenfalls sehr gespannt, was die Ergebnisse der einzelnen Tests geben werden. Man sollte allerdings auch die Ergebnisse bei den Stuten bekannt machen, zumindest bei denjenigen, die als Zuchtstute zum Verkauf stehen. Eine Stute könnte natürlich nur über einen stark genutzten Sohn den Defekt in einem bedeutenderen Maße verbreiten. Auf der anderen Seite braucht es natürlich ein Vielfaches mehr als an Hengsten, so dass man deren Einfluss sicher nicht vernachlässigen darf. Das wird ein erfahrener und verantwortungsbewusster Züchter aber sowieso tun und entsprechend reagieren. Sicherlich werden viele Züchter über ihren Stutenbestand bereits jetzt informiert sein.

                            Kommentar

                            • tina_178
                              • 18.03.2007
                              • 3701

                              So gravierend finde ich die ersten Testergebnisse nicht - von der Menge. Bei Züchtern im Stutenbestand eine von 13 oder 2 von 14 ... bei den Hengsthaltern ja ähnlich. Mal gucken, was noch kommt.
                              Lerne Schweigen, ohne zu platzen !

                              Kommentar

                              • verenchen
                                • 21.08.2002
                                • 878

                                Was mich etwas irritiert ist, dass Don Schufro von Blue Horse angeblich nicht getestet wurde, er aber auffällig oft in WFFS positiven Pferden anzutreffen ist... Zufall?
                                De Nalani v. Domani Vengo (Donnerhall x Pik Ramiro) x Continue x Rubinstein

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                                • carolinen
                                  • 11.03.2010
                                  • 3548

                                  Zitat von verenchen Beitrag anzeigen
                                  Was mich etwas irritiert ist, dass Don Schufro von Blue Horse angeblich nicht getestet wurde, er aber auffällig oft in WFFS positiven Pferden anzutreffen ist... Zufall?
                                  Da muss ja nur einer eine n/n Mutter haben und ein DS Nachkomme, der Träger ist - damit ist’s dann klar.
                                  In meinem Bekanntenkreis sind schon Hengste derart “entlarvt”.
                                  Herr - Laß es Hirn regnen oder Steine - egal - Hauptsache Du triffst !

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                                  • hopplahop
                                    • 20.01.2016
                                    • 1058

                                    Da muss einer einfach nur TG testen lassen von Don Schufro.

                                    Kommentar


                                    • hopplahop
                                      hopplahop kommentierte
                                      Kommentar bearbeiten
                                      Da brauchst Du nicht mehr als das was noch im Röhrchen ist nach der TG-Besamung.

                                    • Gast
                                      Gast kommentierte
                                      Kommentar bearbeiten
                                      Eben, *nach* der Besamung
                                      Bin grundsätzlich aber Deiner Meinung, wer es wissen will und TG hat, wird die 41 Euro sicherlich investieren.

                                      Ich denke es sind schon wesentlich mehr Träger bekannt als veröffentlicht, gibt ja doch einige Züchter, die den Samen auf eigene Kosten testen lassen.

                                    • Greta
                                      Greta kommentierte
                                      Kommentar bearbeiten
                                      vielleicht sollte ich doch meine Don Schufro Sandro Hit Stute und ihre Mutter testen lassen??? ich züchte im Moment nicht darum halte ich es momentan für Geldverschwendung zu testen nur um meine Neugier zu befriedigen... Aber ich gebe zu es würde mich interessieren...
                                  • CoFan
                                    • 02.03.2008
                                    • 15238

                                    In den NL wird im August schon eine Fohlenauktion mit getesteten Fohlen durchgeführt.

                                    Kommentar

                                    • CoFan
                                      • 02.03.2008
                                      • 15238

                                      Jetzt trudeln die ersten Informationen über Träger-Hengste aus Schweden ein:

                                      Gocksta Stuteri meldet Bravour auf ihrer Fb Seite als Träger. Abstammung: Cornet Obolensky - Quattro-Gershwin

                                      (För att använda honom krävs det att du testar ditt sto för WFFS)

                                      Kommentar

                                      • Ramzes
                                        • 15.03.2006
                                        • 14562

                                        Een flinke klap voor de smalle Gelderse fokkerij: onder de 19 onderzochte Gelderse hengsten bevinden zich vier dragers van het gendefect dat WFFS kan

                                        Kommentar

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