Züchten wir hübsche, gangstarke, guckige Nervenbündel???

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  • basquiat
    • 02.10.2005
    • 2836

    Züchten wir hübsche, gangstarke, guckige Nervenbündel???

    Anlass zu dieser drastischen Frage ist das Turnier, auf dem ich seit einigen Jahren wieder einmal gestartet bin. Meine beiden waren erstmals mit mir auf Turnier, okay, da muss man damit rechnen, dass sie etwas angespannt und guckig sind.

    ABER: Der erste Bewerb der Klasse A hatte 6 Starter (Dressurreiterprüfung). Davon hatte eine einzige Reiterin (Profi) im Viereck keine Probleme, gewann mit 8,0. Die anderen 5 (darunter meine Wenigkeit) hatten zum Teil große Mühe, auch nur am Hufschlag außen herum zu kommen, die Pferde scheuten vor allem Möglichem. Die Ergebnisse reichten dann von 5,8 bis zu aufgegeben bzw. ausgeschieden. Das waren aber alles keine Turnieranfänger, nein, die Klasse A2 bedeutet, dass man bereits Erfahrung hat und nicht erst kürzlich die Lizenzprüfung abgelegt. Konkret waren unter den "Versagern" mind. 3 Profis. Das Pferd der Siegerin übrigens, war alleine im Viereck toll und rittig, hatte dafür beim Abreiten Probleme mit anderen Pferden, fürchtete sich extrem bei Begegnungen.

    Jetzt frage ich mich schon, ob das heutzutage "normal" ist? Oder war doch der Austragungsplatz schuld?

    LG Liesl
    Gestüt Pferdeschule Riegersburg
  • hufschlag
    • 30.07.2012
    • 4135

    #2
    Bitte entschuldige, was soll das für ein Profi sein, der Dressurreiter A startberechtigt ist???

    zu deiner Frage, nein, den Eindruck habe ich nicht
    bin viel in drpf. Prüfungen Zuschauer, und mehrheitlich klappt das sehr gut mit den jungen
    die brauchen wohl ne runde mehr, aber einmal gucken dürfen sie ja, die allermeisten machen dann ihren Job
    von den absolut elektrischen bewegungswundern abgesehen, sind die jungen eher rittiger als früher, ist mein Eindruck

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    • Fife
      • 06.02.2009
      • 4314

      #3
      das liegt nicht nur an der Zucht. Auch die Haltung und und mangelnde Übung tun ein Übriges.
      = es gibt zu viele Reithallen.

      zB in einem der Ställe in dehnen ich früher geritten bin, war der Reitplatz einen knappen Kilometer entfernt. Da müßte JEDER Reitschüler ein Stück durch die Stadt an Geschäften vorbei, duch Engstellen, an eine Wehr/Kraftwerk an der Staumauer entlang und dann kam Kindergarten, Grundschgule + diverse Jungendclubräume usw.....

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      • basquiat
        • 02.10.2005
        • 2836

        #4
        Zitat von hufschlag Beitrag anzeigen
        Bitte entschuldige, was soll das für ein Profi sein, der Dressurreiter A startberechtigt ist???
        In Österreich werden da immer 2 Abteilungen ausgeschrieben, die erste (R1) für die Turniereinsteiger, die zweite für die "alten Hasen". Das ist bei Dressur- und Dressurreiterprüfungen gleich, bis zur Klasse L.

        LG Liesl
        Gestüt Pferdeschule Riegersburg

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        • satania
          • 11.05.2010
          • 6293

          #5
          Ich bin auch ein alter Hase, aber kein Profi.

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          • Bananenmopsi
            • 11.07.2012
            • 287

            #6
            Ich würde die Frage umformulieren: KAUFT ihr (nur) hübsche, gangstarke, guckige Nervenbündel? Und wundert ihr euch dann, dass diese auf einem Turnier gucken?



            Gezüchtet wird, was verkauft werden kann. Und wenn die meisten Käufer heute meinen, sie kämen mit den - sicherlich zur Genüge vorhandenen, da gut bezahlten - hochgezüchteten, schicken und manchmal sogar gangstarken ( ) Pferden mit schlechtem Nerv klar, ist das wohl ihr Problem.

            Es gibt doch genug "normale" Zuchtprodukte, die klar im Kopf sind, nicht weniger Potenzial mitbringen (für die, die das auch sehen können), trotzdem schön anzusehen sind und die auch noch Spaß machen - egal ob zu Hause oder auf dem Turnier.

            Eindeutig für mich ein Problem der Käufer, nicht der Züchter

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            • wilabi
              • 21.05.2008
              • 2319

              #7
              Zitat von Bananenmopsi Beitrag anzeigen


              Eindeutig für mich ein Problem der Käufer, nicht der Züchter
              Das erlebte ich beim Verkauf eines Dressurnachwuchspferdes in diesem Jahr aber ganz anders.
              Die Kaufinteressent(innen) fragen Nervenstärke, Interieur und Einstellung sehr gezielt nach und sehen am liebsten 4j schon als erprobte, platzierte Turnierpferde.
              Oft soll man hier Garantien geben, einige Interessentinnen haben sehr schlechte Erfahrungen gemacht und sind gerade in Bezug auf "Glotzigkeit" gebrannte Kinder. Da wird sehr intensiv probiert - auch auf fremden Plätzen etc.

              Es ist sehr wohl ein Problem der Zucht. Die Auswahl der Hengste erfolgt ja nicht mehr nach Reitpferdekriterien. Auf den Hengstschauen gewinnen die Hengste die Herzen der Züchter, die sich spektakulär präsentieren können und für Umwelteinflüsse empfänglich sind. Einige haben es hier "eine gewisse Rascheligkeit" genannt, die dazu führt, das diese Hengste sich präsentieren. Unter Spannung gewinnen die - die sich locker und natürlich bewegenden Hengste mit entsprechend dazu notwendigen Interieur verlieren.
              Genau diese "aufspieligen" Typen braucht der Fohlenmarkt. Selbstdarsteller mit Spanntritten und festem Rücken werden bezahlt - genau die Sorte Pferd, die später auf dem Turnierplatz elektrisiert öfter mal die Spur verlässt.

              Meines Erachtens die Folge eines vollkommen fehlentwickelten Fohlenmarktes. Auch ich stelle fest, das der Anteil der Pferde, die nicht alltagstauglich sind, ständig steigt. Hier im Verein hab ich 3 Fälle von jungen Dressurreiterinnen, die sich und ihr Reiterleben mit solchen Pferden unglücklich gemacht haben.
              Zuletzt geändert von wilabi; 07.06.2016, 07:06.

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              • Arkade2403
                • 12.08.2014
                • 254

                #8
                Also, wir haben auch zwei etwas "umweltorientiertere" Damen, wobei es bei der einen deutlich ausgeprägter ist. Wir haben aber mittlerweile festgestellt, dass dieses Geglotze eher Testerei und absolut tagesformabhängig ist. An Tagen, mit denen man mit gar nichts rechnet, sitzt wieder irgendwo ein Gespenst oder man hat noch nie einen Blumenkübel oder einen Buchstaben am Viereckrand oder ein Richterhäuschen gesehen. An anderen Tagen, wo man als Pilot denkt, na, heute wird es lustig, weil man vermeintliche Glotzstellen vorab meint idenitifiziert zu haben passiert - genau, gar nichts. Pferd trabt mit hängenden Ohren gelassen dran vorbei.
                Das mit dem Reagieren oder Scheuen vor anderen Pferden ist natürlich auf vollen Abreiteplätzen ein häufiges Problem. Oft haben die Nasen dann ja schon zuhause oder woanders schlechte Erfahrungen gemacht, weil irgendjemand zu dicht vorbei- oder fast draufgeritten ist. Da hilft nur der Tipp an alle - Augen hoch (mal beobachten, wie viele mit Augen auf den Pferdehals gerichtet reiten), vorausschauend Reiten (erfordert die komplexe Aufgabe des Mitdenkens) und soweit möglich großzügige Lücken suchen, um einfach zu vermindern, dass die Pferde durch so was verprellt werden.
                Insgesamt abhärten durch alle möglichen Eindrücke ist sicher auch ein wichtiger Bestandteil, um die Glotzerei abzumildern, wurde ja aber auch schon genannt.
                Zuletzt geändert von Arkade2403; 07.06.2016, 07:29. Grund: Schreibfehler

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                • chilii
                  • 08.02.2011
                  • 8089

                  #9
                  Ich sehe das Problem auf beiden Seiten.

                  Zum einen natürlich den Käufer - da haben (und tun es immer noch) viele Leute sich Pferde gekauft bei denen von vorneherein klar war das es schief gehen wird (über motorisiert, zu viel Nerv, zu jung... to be continued).

                  Außerdem haben viele Züchter (auch hier im Umfeld) auf spektakelige Hengste umgestellt - eben weil sie die braven sich "etwas normaler bewegenden" nicht mehr vom Hof bekamen. Das hat dann auch eine Weile gut funktioniert. Mittlerweile haben hier viele komplett aufgehört (zumeist aber aus Altersgründen).

                  Wir gehen da ganz gezielt nicht mit. Gutes Beispiel gestern wieder unterm Sattel gehabt. Wallach 7 Jahre. Hatte sich vor Ostern blöd ein Einsen abgezogen und ist ohne auf der Koppel rum gerannt - Sohle total empfindlich / dünn, Pferd lahm.
                  Der ist seit 2 Wochen lahm frei, durfte sich aber auf der Weide noch weiter auskurieren. Letzte Woche neu beschlagen, gestern gesattelt und vom Hof geritten (nach 10 1/2 Wochen ohne Arbeit) als hätte es die Pause nie gegeben.

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                  • Roullier
                    • 31.05.2009
                    • 1146

                    #10
                    Ich glaube, die Wahrheit liegt zwischen Wilabis und Fifes Aussage....Einerseits wird mit den Viehchern heutzutage viel zu wenig gemacht ( Abwechslungsreiche, vielseitige Ausbildung im Sinne von ausreiten, hüpfen etc.), was aber eher an der heutigen Reiterei liegt. Es wird sich mMn viel zu früh in eine Richtung spezialisiert.

                    Mir ist aber auch bewusst, dass man mit einem kopfklaren, braven Pferd mehr unternimmt als mit einem, der sich ständig daneben benimmt. Nur woher soll der Nervige es lernen, wenn man Ihn ständig von solchen Situationen fernhält?

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                    • cps5
                      • 07.07.2009
                      • 1586

                      #11
                      Ich bin ebenfalls voll bei Fife, Wilabi und Roullier, gebe aber noch etwas zu bedenken:

                      Wenn die Reiter (egal ob Springen, Vielseitigkeit oder Dressur) Pferde möchten bzw. benötigen, die feinfühlig auf feinste Hilfen reagieren und das Beste aus sich herausholen (Dressur) oder sehr genau hinschauen und mitmachen (Springen und Vielseitigkeit), dann muss man eben auch mit der Kehrseite der Medaille leben, dass nämlich auch dann hingeguckt wird, wenn es gerade nicht erwünscht wird und sensible Reaktionen erfolgen, wenn man sie gar nicht haben wollte. Sensibilität ist eben kein Computer-Programm, das man ein- oder ausstellen kann.

                      Lediglich bei der Dressur (vor allem deren Reiter klagen ja über das zum Teil sehr schwache Nervenkostüm ihrer Pferde) ließe sich vielleicht etwas gegensteuern. Aber die nervenstarken Schnarchnasen der 70er Jahre, bei denen man teilweise wirklich jeden Schritt heraustreiben musste, will auch keiner mehr haben. Von daher ist die Zucht sicher grundsätzlich auf dem richtigen Weg.

                      Ein Problem in der Dressur ist allerdings, dass für die heute notwendige Bewegungsqualität und vor allem deren Abruf eine körperliche Muskelanspannung nötig ist - wie bei jedem Leistungssport. Anspannung ist aber nun einmal genau das Gegenteil von Entspannung. Während bei anderen von der Ästhetik lebenden Sportarten wie Tanzen, Eiskunstlaufen, rhythmische Sportgymnastik der menschliche Sportler weiß, dass die Anspannung nur der körperlichen Leistung dient und kein weiterer Faktor vorliegt, der Anspannung verursachen könnte, ist das einem Pferd intellektuell nicht zu vermitteln. Es wird alles getan, um die gewünschte physische Spannung herzustellen und schon muss man damit leben, ein auch psychisch angespanntes Pferd zu haben. Einer der Hauptgründe, warum man bei Veranstaltungen, die das Pferd besonders präsentieren sollen (Turniere, Hengstschauen), kaum noch gute Schrittphasen sieht. Anspannung bis zum Anschlag ist gefragt, und für ein Fluchttier ist der Hauptgrund für Anspannung eben drohende Gefahr, also muss es höllisch aufpassen und total auf der Hut sein. Bei der Vielseitigkeit und im Springen relativiert sich das Problem, da das Pferd ja seine Konzentration ohnehin auf die Umgebung richten muss. In der Dressur, wo sich der Reiter von seinem Pferd eigentlich den viel zitierten "Tunnelblick" wünschte, geht das nicht. Und neben den echten Nervenbündeln (die es auch bei uns Menschen gibt), hat man dann eben diese heikle Aufgabe, ein von Natur aus jede neue Situation mit einer gewissen psychischen Angespanntheit betrachtendes Tier mit einer zusätzlich erheblichen körperlichen Anspannung (nämlich der bestmöglichen Präsenz seiner Bewegungsmöglichkeiten im Rahmen einer Dressuraufgabe) zu präsentieren. Damit sind ziemlich viele Pferde (und mittlerweile auch Reiter) sclichtweg überfordert. In den tieferen Regionen führt das zu Aufgaben und Disqualifikationen bzw. schwachen Leistungen. Und im höheren Sport zu unschönen Bildern bei den erfolgreichen, aber eben wenig pferdefreundlichen Versuchen, die Körperanspannung beizubehalten und gleichzeitig die Nervenanspannung unter Kontrolle zu behalten.

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                      • Mondnacht
                        • 01.12.2009
                        • 2459

                        #12
                        Ich bin da auch zwiegespalten und tendiere dazu, auch ein Zuchtproblem zu sehen.

                        Wir Reiter haben es natürlich dadurch fossiert, dass wir genau nach diesen spektakulären Pferden gesucht haben und sie dann im Stall nicht wirklich reiten konnten (sind halt nicht IW, die kann das). Nur gehe ich mit einem nervenstarken jungen Pferd auch eher sofort auf den Platz und ins Gelände als mit dem nervösen gangewaltigen, der eventuell den totalen Ausraster bekommt und dadurch verstärkt sich die Nerverei...

                        Mein erstes Pferd vor über zwanzig Jahren hat auch geguckt, aber der ist nicht ausgerastet, der hat mich in der Prüfung dann ganz einfach verhungern lassen, aber was man heute so manchmal auf Turnier erlebt, da möchte ich nicht oben sitzen. Natürlich kann man jetzt sagen, dass die Reiter dann nicht losfahren dürfen und den Pferden nicht genügentd Reize bieten, aber ich kann es mittlerweile den Reitern auch nicht mehr verübeln, dass einige wirklich oben sitzen und Panik in den Augen haben.

                        Vielleicht ist ein Pferd wie Weihegold, die wirklich nicht so spektakulär wie eine Totilas läuft auch eine Chance für die Zucht hin zu mehr Nervenstärke. Ich würde es mir wünschen, merke derzeit selber, dass ich auch nicht mutiger werde.

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                        • Mondnacht
                          • 01.12.2009
                          • 2459

                          #13
                          Oh cps5, da hast du aber auch eine tolle Erklärung geliefert!

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                          • Charly
                            • 25.11.2004
                            • 6007

                            #14
                            ich denke, es ist ein gemachtes problem, was durch die zucht unterstützt wird.
                            es fängt mit der aufzucht an. seien wir ehrlich, die meisten jungpferde wachsen irgendwo im nirgendwo auf großen wiesen mit wenig reizen außer wind und wetter auf.
                            kommen dann 3 jährig in die zivilisation und werden angeritten 8in der regel in der halle). ab und an geht man vielleicht noch auf den außenplatz und das pferd steht, wenn es glück hat, stundenweise auf der wiese.

                            für mich muß ein jungpferd möglichst viel in der"kindergartenzeit" mitbekommen.
                            meine stand auch auf großen wiesen, aber bevölkerungsnah, möchte ich das mal nennen. eine wiese lag neben einer gärtnerei, rasensprenger, lärm von sägen etc. eine weitere in der nähe einer größeren strasse mit bushaltestelle in sichtweite.
                            von einer weiteren wiese aus konnten die jungpferde beim schützenfest zuhören/sehen.
                            dies alles hat dazu beigetragen, dass das pferd vor allem eines ist... neugierig auf unbekannte sachen.
                            am wochenende flog ein ballon in herzchenform in quietschrot über die wiese.... fast allen pferden fielen die augen raus, große panik... bloß weg... meine hat das "ungeheuer" anvisiert, einmal geschnorchelt, etwas langen hals gemacht und ist hinterher, um es zu untersuchen... leider flog er durch den wind dann weg.
                            wenn bei uns am stall irgendetwas neues ist, ist das per se erst mal interessant. sei es ein kinderwagen, ein LKW mit dachplatten oder was auch immer.... pferd gucken und neugierig erkunden lassen...
                            wer sein pferd immer von allem fernhält, braucht sich nciht zu wundern, wenn die in fremder umgebung mit reizüberflutung ihr heil in der flucht suchen.

                            übrigens ist meine ein pferd mit ca. 75% blut......uaaaahhhh nervige blüter... NEIN, kopfklarer geht es nicht

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                            • dressurpferde@email.de
                              • 15.02.2012
                              • 913

                              #15
                              Aber es gibt sie, die Pferde die beides von Natur aus zusammen bringen, körperliche Anspannung und die geistige Entspannung. Die den maximalen Go, den Willen alles richtig zu machen, unglaublichen Ehrgeiz haben und trotzdem sich nicht ständig aufspulen, sondern mit innerer Gelassenheit und Souveränität sich auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Solche Pferde sind nur eben selten und züchterisch deutlich anspruchsvoller als 10er Grundgangarten.

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                              • cps5
                                • 07.07.2009
                                • 1586

                                #16
                                Richtig. Und genau hier müsste meines Erachtens das gemeinsame Gespräch zwischen Reiter und Züchter beginnen. Es muss möglich sein, dass der Züchter mit solchen Pferden, die gerne als Ausbildungspferd bezeichnet werden, genug Geld einnimmt, um vernünftig über die Runden zu kommen und den Anreiz hat, die entsprechenden Zuchttiere und ihre Linien/Stämme zu pflegen. Dazu muss dem kaufinteressierten Reiter bewusst werden, dass Qualität und Spektakel nicht dasselbe sind. Man mag sich einfach nur mal fragen, welchen Nutzen das Jagen drei- und auch vierjähriger Pferde im Stechtrab durch die Halle für die verschiedenen Dressuraufgabe, die später auf Pferd und Reiter als Paar zukommen, haben könnte. Wenn der Schritt mit der doppelten Benotung einfließt, welchen Sinn hat es dann, das Pferd durch Vorne-ziehen und Hinten-schieben für den spektakulärsten Trab kirre zu machen, so dass es gar nicht entspannt schreiten kann. Den Dressurreitern unter uns fallen hoffentlich noch andere Beispiele ein.

                                Und natürlich darf das Benoten nicht mehr oder weniger schleichend dazu führen, dass unkorrekt gerittene Lektionen wie Piaffen ohne Hankenbeugung oder Taktfehler großzügig "durchgewunken" werden oder weniger Abzüge drohen als bei einem starken Trab, der zwar hinsichtlich des untertretenden Hinterbeins keine Wünsche offen lässt, aber eben vorne nicht so spektakulär herausgestrampelt wird. Zumal diese übermäßige (und eigentlich sinnlose) Form der Bewegung eher Überbelastungen und damit Verletzungen nach sich zieht.

                                In einem Thread im Dressurbereich, dessen Name ich nicht mehr erinnere, hat sich mal ein - offensichtlich jüngerer - User darüber amüsiert, dass er eine Piaffe gesehen hat, die rückwärts geriet. Das war bis in die 70er und 80er Jahre hinein ein durchaus häufiger Fehler, weil bei einer im Grunde korrekt gerittenen Piaffe es zu Gleichgewichtsproblemen des Pferdes kommen kann, die dann durch das Rückwärtstreten ausgeglichen werden. Ein zurecht hoch bewerteter Fehler damals, der bei den meisten Piaffen heute mit herausgestelltem Hinterbein und hochgezogener Kruppe nicht mehr vorkommt. Weil es eben keine echten Piaffen (ehemals Vorbereitung zur Levade) sind, sondern eher schon ein Durchparieren zu einem auch noch unkorrekten Halten mit dem Unterschied, dass mit den Beinen weitergezappelt wird.

                                Um auf die Zucht zurückzukommen: Was ist jetzt also notwendig, damit die von dressurpferde genannten Pferde nicht nur immer noch gezüchtet werden, sondern dies auch noch von dem Erfolg gekrönt wird, dass es möglich ist, sie auch langfristig züchten zu können, wenn gleichzeitig die Bewegungswunder zunächst alle Blicke auf sich ziehen? Und nicht gerade die Züchter, die eben das wirklich Anspruchsvolle schaffen, wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten und entweder aus finanziellen Gründen oder Frust ihre Zucht hinschmeißen (müssen). Und zwar auch im Hinblick auf kleinere Züchter und nicht nur die +100-Stuten-Betriebe, die sowohl das eine Pferd (für die Qualität) als auch das andere (für die Brieftasche) züchten können und mit dem weniger gelungenen Rest mittels Dumpingpreisen kleinere Züchter selbst mit hochwertiger Nachzucht zum Aufgeben zwingt.

                                Kommentar

                                • cps5
                                  • 07.07.2009
                                  • 1586

                                  #17
                                  Und dann sind wir bei fife und charly: Egal, welcher tatsächliche oder vermeintliche Super-Nachkomme gezüchtet wird - was während Aufzucht und Ausbildung alles falsch gemacht werden kann, lässt sich nicht durch noch so gutes Züchten eliminieren.

                                  Kommentar

                                  • dissens
                                    • 01.11.2010
                                    • 4060

                                    #18
                                    Weil es eben keine echten Piaffen (ehemals Vorbereitung zur Levade) sind, sondern eher schon ein Durchparieren zu einem auch noch unkorrekten Halten mit dem Unterschied, dass mit den Beinen weitergezappelt wird.
                                    Danke für diese überaus treffende, wenn auch wahrlich nicht ermutigende Beschreibung!

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                                    • dressurpferde@email.de
                                      • 15.02.2012
                                      • 913

                                      #19
                                      Zitat von cps5 Beitrag anzeigen
                                      Richtig. Und genau hier müsste meines Erachtens das gemeinsame Gespräch zwischen Reiter und Züchter beginnen. Es muss möglich sein, dass der Züchter mit solchen Pferden, die gerne als Ausbildungspferd bezeichnet werden, genug Geld einnimmt, um vernünftig über die Runden zu kommen und den Anreiz hat, die entsprechenden Zuchttiere und ihre Linien/Stämme zu pflegen. Dazu muss dem kaufinteressierten Reiter bewusst werden, dass Qualität und Spektakel nicht dasselbe sind. ...
                                      Ich möchte hier mit einem Missverständnis aufräumen: Diese super kopfklaren Mitmach-Pferde, die sich jede Sekunde den A aufreißen, um ihrem Reiter alles recht zu machen, die richtig Go haben, sich konzentrieren können etc. ...
                                      ... diese Pferde gibt es auch in Championatsqualität (und zwar von BuCha bis int. Grand Prix). Die "technische Grundqualität" hat von daher, für mich, nichts mit den "Softskills" zwischen den Ohren zu tun. Ein Pferd kann beides haben, es schließt sich keinesfalls aus, aber leider haben viele Pferde nur eines in überdurchschnittlicher Qualität und bei noch viel mehr scheitert es an beidem.
                                      Grundgangarten, Gebäude etc. kann man leicht von außen betrachten und bewerten, bei den "Softskills" ist dies deutlich schwieriger. Von daher ist die Verbesserung oder der Erhalt der "Softskills" äußerst komplex und sehr anspruchsvoll.

                                      Und zu dem Punkt Aufzucht/ Prägung: Ja, man kann vieles ausgleichen, aber die Pferde werden alle mit einer ihnen eigenen Grundausstattung geboren und genau hier sollte auch der züchterische Blick ansetzen. Und nein, das meint nicht, dass ein Fohlen sich besonders brav die Hufe aufheben lässt oder brav spazieren geht. Sondern um Entspannung bei höchster Anspannung. Fohlen die trotz 10er Trab und ganz großer Mechanik im Rücken locker mitschwingen. Fohlen die sich anspannen können ohne zu verspannen. Ob die Arbeitseinstellung später eine ehrliche 10 verdient zeigt sich eh erst unter dem Sattel. Da müssen die richtig Spaß dran haben, so wie der Border Collie aufblüht, wenn er stundenlang Schafe hüten darf, auch wenn das Hüten von Natur aus eher mal nicht eine ausgeprägte Eigenschaft eines Hundes ist.
                                      Und nur weil vielleicht der Jagdtrieb an einem Hund vom Ursprung her für eine bestimmte Nutzung stört, ist auch nicht ein Basset der Weißheit letzter Schluss, wenn es um sportliche Höchstleistungen wie Schafehüten geht. Was wir von daher sicher nicht brauchen, sind "nur brave" Pferde, denen die Sportlichkeit fehlt.
                                      O.k. es gibt genug Wald- und Wiesenreiter, die mit ihrem Tinker etc. das perfekte Match gefunden haben, genau wie es auch genug Freunde von Bassets gibt, die sich freuen wenn stundenlange, sportliche Aktivitäten unerwünscht sind. Bei der Zucht von Sportpferden geht es aber um Leistung, körperliche, wie mentale Leistung. Von daher sollte der Sportpferdezüchter sich an der Zucht von Border Collies orientieren. Wo körperliche und mentale Eigenschaften maximal der Nutzung entsprechen. Und dies auch im Sinne des Tierschutzes, denn ein Border Collie blüht auf, wenn er die Chance hat, sich der ihm züchterisch angedachten Aufgabe zu stellen, auch wenn diese in bestimmten Bereichen doch etwas von der natürlichen "Grundausstattung eines Hundes" abweicht. Und klar ist es wenig natürlich sich auf dem Dressurviereck gymnastischen Übungen hinzugeben und dies auch noch oft in einem ausgesprochen, die Fluchtinstinkte insperierenden Umfeld.

                                      Die Vorurteile, dass ein Pferd mit Go und Geist automatisch durchgeknallt ist oder einem abgeklärtem automatisch der Go oder die Bewegung fehlt, müssen endlich aufhören. Wir brauchen beides und beides in einem Pferd. Es ist machbar!!! Es gibt sie schon lange, wir brauchen nur VIEL mehr von der Sorte.

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                                      • cps5
                                        • 07.07.2009
                                        • 1586

                                        #20
                                        Oh, ich hoffe, ich bin jetzt nicht missverstanden worden ...

                                        Ich bin genau deiner Meinung. Ich sehe aber die Gefahr, dass ein professioneller Beritt diejenigen Hengste und Verkaufspferde in den Vordergrund schiebt, die sich auf das Spektakuläre beschränken, auch weil die von dir beschriebenen soft skills eben nicht so ohne weiteres sichtbar sind.

                                        Die Vorurteile, dass ein Pferd mit Go und Geist automatisch durchgeknallt ist oder einem abgeklärtem automatisch der Go oder die Bewegung fehlt, müssen endlich aufhören. Wir brauchen beides und beides in einem Pferd. Es ist machbar!!! Es gibt sie schon lange, wir brauchen nur VIEL mehr von der Sorte.
                                        So lange der Vollblutanteil bei den Dressurpferden weiter so stark runtergeht, muss man sich darüber auch nicht wundern.

                                        Ich denke, das von dir erwähnte Vorurteil (Go und Geist = durchgeknallt) ist sehr eng "verwandt" mit dem Voruteil der durchgeknallten Blüter - auch im Zusammenhang mit Trakehnern äußert man das sehr gern. Ich habe dabei folgendes beobachtet:

                                        Als die ersten Vollblutnachkommen bei der Umzüchtung des Landwirtschaftspferdes unter die Reiter kamen, haben viele die Beobachtung gemacht, dass die Pferde lebhafter, heißer und "irgendwie schwieriger" waren. Das haben sie ausschließlich auf den Vollbluteinfluss geschoben, was meiner Meinung falsch war. Ich glaube (ohne dies freilich beweisen zu können), dass die Mischung aus neu hinzugewonnenem Geist des Vollbluts mit den alten büffeligen Eigenschaften des schweren Warmblüters das Problem hervorrief, ein typisches Halbblut-Problem. Anstatt im Sinne des feineren Reitens auf die stetige Zufuhr von Vollblut zu setzen, war man in vielen Zuchtbezirken froh, den leidigen Vollbluteinsatz hinter sich zu haben, und dann tauchte einige Generationen später das ganze Problem wieder von vorn auf. So erhält man Pferde, die für feines Reiten zu büffelig sind, aber dennoch die heute gewünschte Bewegungsqualität haben. Die blütigen Nachkommen, die diese Qualität auch haben, werden meist ohnehin von Züchtern gezogen, die entweder sowieso eher den Vielseitigkeitsmarkt bedienen wollen. Und wenn sie es doch auf dem Dressursektor versuchen, werden sie sie wegen des genannten Vorurteils nicht los.

                                        Ich bin völlig bei dir: Pferde mit Go und Geist sollte man züchten und den Reitern zur Verfügung stellen, aber eben solchen, die den Geist ihres Pferdes bewahren. Das heißt nicht, es von einem Pfleger aus dem Stall oder von der Koppel zu holen und satteln zu lassen, sich 40 Minuten lektionenpaukenderweise draufzusetzen und dann dem Pfleger wieder in die Hand zu drücken. Genauso sieht es aber in vielen Beritt- und Dressurställen leider aus.

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