Hengstschau K&K Cup: Von der Dramaturgie der Reihenfolge

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  • fanniemae
    • 19.05.2007
    • 3291

    Hengstschau K&K Cup: Von der Dramaturgie der Reihenfolge

    Wer gestern abend in der Halle Münsterland die Hengstschau verfolgte, der bekam mit der nun dritten Auflage dieser Schau erneut einen bemerkenswerten Querschnitt equiner Genetik geboten, das ganze im bequemen Ambiente einer angenehmen Umgebung – einfach schön!

    Am Ende waren es dann weniger die Hengste an sich, als vielmehr die Dramaturgie der Reihenfolge, die den grössten Beitrag zu wahrhaft spektakulären Eindrücken lieferte.

    Eine begnadete Reiterin auf einem Hengst, der von Natur aus nicht unbedingt mit aufsehenerregenden Grundgangarten und Abläufen ausgestattet ist und daher stets zu den eher weniger beeindruckenden zählte, zelebriert Dressurreiten in einer beispielhaften Art und Weise:
    Ästhetik pur und lebender Beweis, dass man auch normale Pferde durch gutes reiten überhaupt erst „schön“ – um nicht zu sagen: Spektakulär! -machen kann.

    Schön im Sinne von ausdrucksvoll, erhaben, geschmeidig, natürlich schön – und das ganz ohne jeden künstlichen Hascheffekt wie Vorderbeingestrampel und unnatürliche Beizäumung.

    So schön, dass man das Auge eigentlich gar nicht abwenden kann und will.
    So sieht das aus wenn jemand gelassen natürlich IM Pferd sitzt und nicht darauf.

    So sieht das aus wenn eine geschmeidige Mittelpositur die fliessende Veränderung von gutem dran- und mitunter auch gegensitzen ebenso selbstverständlich beherrscht wie das winzige, aber doch so wichtige Momentum, aus dem Sitz loszulassen um dem Pferd dadurch überhaupt erst den Impuls von natürlichem Getragensein nach vorn zu bieten.
    So sieht das aus wenn jemand über das nötige Talent verfügt und die konsequente Schule dazu.


    In der natürlichen Selbsthaltung eines gelassenen bergauf marschieren die beiden im Zweitakt aus der Bahn – ein bisschen passageartig, aber noch keine ganz richtige Passage. Das ist aber auch völlig egal, denn es tut der Ästhetik keinen Abbruch. Einfach deshalb, weil der Takt in jedem Moment von hinten nach vorn durchs Pferd getragen erhalten bleibt - wie das eben so ist, wenn der Ablauf korrekt angelegt ist.
    Tatsächlich mehr, als man von einem nicht einmal siebenjährige auf diesem Niveau heutzutage überhaupt irgendwo geboten bekommt.

    Man schwelgt noch im Genuss, doch wie das auf einer Hengstschau so ist:

    hier jagt ein emotionaler Höhepunkt den anderen.
    „emotionaler Höhepunkt“ versteht sich in diesem Zusammenhang wertfrei, will heissen:
    Es kann sich bei diesem Höhepunkt auch um einen spektakulären Tiefpunkt handeln.
    Kontrastreich in Szene gesetzt durch die Dramaturgie der Reihenfolge eben und die Gegensätze könnten nicht grösser sein:


    Ein Hengst, der (anders, als der zuvor beschriebene eher „normale“ Kandidat) wohl zu den besten seines Jahrganges zählt, wenn nicht der beste überhaupt – gemessen an seinen naturgegebenen Grundgangarten, dem Ablauf und ganz besonders der daraus resultierenden natürlichen Schubkraft, die sich bei gutem reiten im Laufe der Ausbildung in eine bestechende Tragkraft wandeln und dieses Pferd zu einem strahlenden Juwel im Dressurviereck machen sollte.
    Sollte.
    Konjunktiv.

    Ein Reiter, der zunächst einmal das grosse Pech hat, im direkten Anschluss einer wahrlich meisterhaften Reiterin auf die Bühne zu müssen.
    Die Gegensätze könnten drastischer nicht sein, die Defizite sind bestechend.

    Eine starre Mittelpositur, die geschmeidiges Einsitzen so wenig erlaubt wie das oben beschriebene, so wichtige Momentum des aus dem Sitz heraus loslassen könnens, um dem Pferd dadurch überhaupt erst den notwendigen Impuls von natürlichem Getragensein nach aufwärts vorn zu bieten. Selbsthaltung eben.
    Zügelfäuste, die in Richtung Oberschenkel ziehen und damit genau den Eindruck unterstützen, den bereits die starre Mittelpositur suggeriert:
    ein von vorn nach hinten gezogenes Pferd statt einem von hinten nach vorn gerittenen.

    Soweit die Theorie.
    Die praktische Anschauung liefert das Pferd in der Tat selbst und spricht zu uns wie es in der Tat kaum deutlicher sein könnte durch ein Genick, das zu keinem Zeitpunkt der höchste Punkt, dafür aber verworfen ist. Ein offenes Maul und die mangelnde Längsbiegung bestätigen folgerichtig die Einflüsse aus den Defiziten von Sitz und Einwirkung des Reiters.

    Regelmässiger Taktverlust und ein geradezu beschämender, weil hinter der Hand klemmender und erwartungsgemäss ungeregelter Schritt, runden das Bild stimmig unstimmig ab.
    Stimmig – denn das Zusammenspiel der Defizite aus Beritt und Selbstdarstellung des Equiden sind in der Tat stimmig.
    Ein Bilderbuchbeispiel von Ursache und Auswirkung.


    Der Hengst lädt sich mehr und mehr auf, zu dem beständigen Taktverlust gesellen sich nun Ausfälle und angaloppieren aus der Unstimmigkeit heraus, der Reiter bemüht sich das geschickt zu kaschieren und „Galopp auf der Stelle“ daraus zu machen.
    Was möchte er uns mit dieser Lektion zeigen?
    Die Einschränkung des natürlichen Raumgriffs durch Festziehen?
    Hohe Kruppe und tiefes Genick.

    Der selbe Eindruck drängt sich im Trabe auf – der Hengst steht mehr und mehr unter Strom und ähnlich wie bei dem Vorgänger zeigen sich nun passageartige Tritte bei tiefem Genick, Taktverlust und schwankend (weil nicht von hinten nach vorn geritten sondern von vorn nach hinten gezogen) – so sieht ein Schenkelgänger aus.
    Ist das die Intention des Reiters bei dieser "Lektion"?
    Ein wenig mehr Selbstachtung möchte man ihm in seinem eigensten Interesse dann doch wünschen.
    Wer will ein noch nicht einmal fünfjähriges Pferd überhaupt in passageartigen Tritten sehen?
    Weniger ist deutlich mehr, dafür aber bitte korrekt:

    ein leicht vor der Senkrechten stehendes, zufrieden kauendes Pferd mit geschlossenem Maul, Genick am höchsten Punkt und fliessend von hinten nach vorn bei solide durchgeschwungenem Übertritt und aufgewölbtem Rücken – das wäre doch schon was für einen fünfjähigen von diesem Format – da könnte er strahlen!

    So bleibt das ganze die traurige Karikatur einer unglücklichen Selbstdarstellung, der Brötchengeber in seiner Ecke klatscht huldvoll dazu, wo Fremdscham auf der Mittellinie angebracht wäre.


    www.muensterland-pferde.de

  • #2
    unterstreiche ich doppelt!
    nein dreifach!

    zur Reihenfolge noch ein faux pas:
    monte cain gleichzeitig mit con polydor vorzustellen fand ich auch wenig gelungen.
    Der eine wirkte noch größer und schlaksiger als er ohnehin schon ist, der andere noch kleiner und kompakter....
    hätte man vielleicht anders arrangieren sollten...

    Kommentar

    • Salsa1204
      • 21.05.2007
      • 3158

      #3
      Ich habe selten gesehen, wie man es schafft, ein Pferd von solcher Qualität innerhalb von zwei Jahren so kaputt zu reiten!

      Kommentar

      • fanniemae
        • 19.05.2007
        • 3291

        #4
        ...

        Doch wäre die Dramaturgie der Reihenfolge nicht von Dramaturgie getragen, wenn es zum Ende nicht noch einen phänomenalen Abgang gegeben hätte:

        Erneut die eingangs beschriebene Amazone auf einem Hengst, der vom Naturell aus mit deutlich weniger ausgestattet ist, als der zuvor beschriebene. Darüberhinaus ein Pedigree, bei dem ein bewährter Springstamm durch Anpaarung weicher Dressurgene vernichtet wurde. In der Tat suggerieren die beiden vorderen Generationen nicht im entferntesten eine Tragkraft, wie sie hier demonstriert wird.
        Eine gelungene Dressuranpaarung offensichtlich, die beispielhaft von der dahinterliegenden Springgenetik profitiert. Neun Jahre später also stellt sich heraus dass der Züchter zwei Generationen zuvor einfach alles richtig gemacht hat.
        Erneut ein Pferd, das sich kontinuierlich von hinten nach vorn in einer natürlichen Selbsthaltung trägt, das ist ein Genuss. Die Nase stets leicht vor der Senkrechten, der kadenzierte Ablauf wird durchs ganze Pferd getragen. Traversalen in einer leichten Vorwärtstendenz mit einem Ausdruck, der in der Tat seinesgleichen sucht. Eine Tempoverstärkung, die genau DAS ist:
        kein hinschrubben sondern eine Rahmenerweiterung, die durch ein etwas „mehr“ an Abdruck von hinten nach vorn schwingt und beispielhaft belegt, was Tempoverstärkung eigentlich sein soll:
        kein schneller sondern weiter.
        Gleiches gilt für die versammelnden Lektionen. Allesamt sicher unterfussend von hinten nach vorn getragen.
        Takt als ausbildungsgemässes Grundmanifest.
        Ein zufriedenes Pferd, und der folgende Schritt bestätigt genau das:
        mentale Gelassenheit als Grundvoraussetzung, einen solch feudalen Raumgriff in dieser an sich schwunglosen Grundgangart überhaupt derart ausdrucksvoll zu präsentieren.
        Ein Hengst auf dem richtigen Weg in den ganz grossen Sport - man kann es den beiden nur wünschen.
        Gratuliere, Frau Hoffmann!
        www.muensterland-pferde.de

        Kommentar

        • Schrumpfkätzchen
          • 25.09.2004
          • 3719

          #5
          Ich war nicht dort...
          Um wen geht es genau?
          Gerne auch als PM

          Danke, hat sich erledigt (vielen Dank, Salsa!)
          Zuletzt geändert von Schrumpfkätzchen; 12.01.2012, 15:46.

          Kommentar

          • verenchen
            • 21.08.2002
            • 879

            #6
            den krönenden Schlußpunkt setzte Rubinio, das negative Beispiel bezieht sich auf First Selection
            De Nalani v. Domani Vengo (Donnerhall x Pik Ramiro) x Continue x Rubinstein

            Kommentar

            • Sentano S
              Gesperrt
              • 30.05.2005
              • 5285

              #7
              Um welches Hengste geht es? gerne per Mail. sentano@live.de

              Kommentar

              • heiterweiter
                • 24.07.2009
                • 2402

                #8
                Und wer war der erste?
                Naja, die Vorstellung von First Selection ähnelte dann wohl der in Münster. Ich war nur froh, dass er das einzige junge Pferd war, das der Herr vorgestellt hat...

                Kommentar

                • Francis_C
                  • 29.12.2009
                  • 8557

                  #10
                  Ich war nicht da aber ich weiß, um welche beiden es geht. Danke für die sehr anschaulich beschriebenen Eindrücke, fanniemae. Ich wäre gerne dabei gewesen. Danke für die tollen Fotos pinksugar!
                  Avatar: Riddick C von Rock Forever NRW (*2011)

                  Kommentar

                  • fanniemae
                    • 19.05.2007
                    • 3291

                    #11
                    grossartige fotos - herzlichen dank!
                    FS kommt treffend rüber.
                    ratzinger auch :-)

                    @heiterweiter: der eingangs erwähnte 7jrg ist ratzinger.
                    Zuletzt geändert von fanniemae; 12.01.2012, 18:58.
                    www.muensterland-pferde.de

                    Kommentar

                    • heiterweiter
                      • 24.07.2009
                      • 2402

                      #12
                      Ja, danke, hab ich jetzt auf den Fotos auch gesehen!

                      Kommentar

                      • kamoroso
                        • 23.07.2006
                        • 366

                        #13
                        Wie war denn Conen ???

                        Kommentar

                        • sporthorses100
                          • 06.09.2010
                          • 895

                          #14
                          Dein Bemühen, mit jedem Satz ein Feuerwerk abbrennen zu wollen, ist manchmal von ähnlich anstrengendem Vergnügen, wie z.B. das Lesen eines Spiegel-Artikels über einen Bundespräsidenten, liebe fanniemae.

                          Kommentar

                          • amimaus
                            • 03.02.2004
                            • 7020

                            #15
                            Zitat von pinksugar Beitrag anzeigen
                            Schöne Fotos.. wärest Du so nett und schreibst mir mal wie Dein Eindruck zu Brisbane war gerne auch per PN.

                            Kommentar

                            • monka
                              • 22.02.2010
                              • 2539

                              #16
                              tolle Fotos, am meisten hab ich mich über die Bilder von Franziskus gefreut. Den habe ich in Verden life gesehen und die Bilder gleichen sich. Ein tolles Pferd altersgemäß geritten, zufrieden kauend unter einer korrekt sitzenden, gefühlvollen Reiterin.

                              Kommentar

                              • Amelie
                                • 26.09.2011
                                • 74

                                #17
                                @ fannimae: Du bringst es mal wieder auf den Punkt, toll geschrieben!

                                Mein Eindruck war genau der gleiche, in allen Fällen. First Selection... was soll man dazu noch sagen... Schade ein so tolles Pferd so "verkümmern" zu sehen. Wie um Himmels willen, kann man einem gerade 5-jährigen eine passage-artige Bewegung abverlangen, wenn er noch nicht einmal im Takt und mit korrekter Anlehnung und ohne zu Blockieren oder sich zu verwerfen eine lange Seite heruntertraben kann?? Das Ganze war keine gelungene Vorstellung sondern eher der Versuch, die Vorführung so unauffällig wie eben möglich zu überleben und die Ausbildungsmängel so gut es geht zu kaschieren.

                                Schade finde ich auch, dass die Hengste des LG alle nicht zu ihrem Vorteil vorgestellt wurden. Die Hengste unter AW allesamt auffällig schief (alle zur gleichen Seite) und verworfen, die Reiterin mit hochgezogen Absätzen, festen Fäusten und fester Mittelpositur - Harmonie sieht anders aus...

                                Zu JH und Rubinio: DAS ist mal bergauf! Wahnsinn! Und alles von hinten nach vorne.
                                Ich hoffe nur, dass diese Selbsthaltung bzw, die alle anderen auch zeigen, keine absolute ist, denn manchmal hätte ich mir ein leichtes Nachgeben und eine etwas tiefere Hand gewünscht... Ansonsten aber wirklich klasse!

                                Kommentar

                                • Capitölchen
                                  • 17.01.2005
                                  • 480

                                  #18
                                  Toller Kerl.
                                  Stimmt es, dass bei Rubinio auf der Mutterseite hinter Pany in den hinteren Generationen Reitponies vorkommen?
                                  Ich habe da keine Erfahrung mit. Kann das wieder vorkommen bei der Nachzucht? Hättet Ihr da Bedenken?
                                  Kennt ihr Nachkommen von ihm selbst? Wie sind die?

                                  Kommentar

                                  • Super Pony
                                    • 05.11.2011
                                    • 5012

                                    #19
                                    Zitat von Capitölchen Beitrag anzeigen
                                    Toller Kerl.
                                    Stimmt es, dass bei Rubinio auf der Mutterseite hinter Pany in den hinteren Generationen Reitponies vorkommen?
                                    Ich habe da keine Erfahrung mit. Kann das wieder vorkommen bei der Nachzucht? Hättet Ihr da Bedenken?
                                    Kennt ihr Nachkommen von ihm selbst? Wie sind die?
                                    das ist ein Fehler bei Allbreed Wie sonst könnte die UR UR Großmutter 1999 geb sein?
                                    http://www.super-pony.de

                                    Kommentar

                                    • pinksugar
                                      • 01.03.2011
                                      • 1632

                                      #20
                                      Brisbane hat mir ganz gut gefallen, unter dem Sattel besser als auf der Körung. Schöner Typ, gute Galoppade. Ob man nun die gerade 3-jährigen schon bei so einer Veranstaltung rumreiten muss, braucht man wohl eher nicht zu diskutieren, ist eben (leider) so.
                                      www.pferdezucht-mb.dehttp://dressurausbildung-mb.de/
                                      www.ll-foto.de
                                      http://www.aufzucht-hb.de/

                                      Kommentar

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                                      Erstellt von Gast, 11.01.2022, 18:05
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